Moral Crime

(Übersetzung: Sittliches Vergehen, Verstoß gegen den Anstand, moralisches Delikt)
Joanna Schulte /Heike Schötker, Städtische Galerie Lehrte, 28. Juni bis 25. August 2019

Ausstellung
Die Architektur des Raumes bietet die Möglichkeit den Grundriß einer Kirche widerzuspiegeln.
Fiktiv ein Kreuz zum Altar (Bühne) hingezogen, ergibt sich der Raum für den Chorus (in der Installation eine Klangarbeit, bestehend aus zwei Lautsprechern) im rechten Seitenschiff, Taufbecken im ehemaligen Eingangsbereich, usw....
Um dieses Zitat visuell fassbar zu machen, sind in dem mit weißem Teppich ausgelegten Ausstellungsraum die Schnitt- und Endpunkte des Kreuzes durch in den Teppich als Intarsie eingelassene Fotos markiert.
Am Kopfende des Kreuzes wie in jeder Kirche architektonisch angelegt der Hauptaltar: hier ein der Form des gebeamten Filmes auf der Bühne.
Nach dieser Zuordnung entsteht die Möglichkeit sich jeweils zwei gegenüberliegende virtuelle Seitenschiffe zu denken, die thematisch korrespondieren, ebenso bildlich miteinander verbundene gedachte Querschiffe.
Im dementsprechend entstehenden geistigen Eingangsquerschiff befindet sich das „Taufbecken“ in Form einer Bildersammlung zum Mitnehmen (Heiligenbildchen, unsere Do Two Fotos).
Das nächste Querschiff zeigt Die Dreifaltigkeit in Form von Fotos auf der einen, bedruckte Gaze als Zitat von Kirchenfenstern auf der anderen Seite, ebenfalls thematisch korrespondierend.

 

Zum Film
Zwei Frauen schreiten in weißem Gewand zum Altar. Sie vollziehen den Akt der Blutschwesternschaft, zu hören sind ritualisierende Orgelklänge.
Dieser Film wiederholt sich ständig.


Arbeitshypothese
Die multimediale Installation bedient sich der kollektiven Vorstellungen zu kultischen Opferritualen und dem Sühneopfer durch Christus.
Das Ritual ist die raumgebende Ordnung der Gesamtinstallation.
Wie in der Messe ist sie auf den Altar ausgerichtet.
Die Blutschwesternschaft als Opferhandlung zeigt die im Ritual festgelegte Auflösung der Individualität im metaphysischen Ganzen.
Mit der Zahl Zwei wird der Schöpfungsakt initialisiert, aus zwei Einheiten entsteht erstmalig Vielfalt, als Handlung Grundlage jeder Religion.

 

Erläuterung
Raum und Zeit als Elemente des Rituals strukturieren Heiligkeit, Hierarchie und Gemeinschaft.
Ein Ritual hat immer eine interaktive Dimension, die das Kollektiv involviert. In der Installation wird dazu aufgefordert, das ultimative Sühneopfer durch Jesus erneut in Relation zu setzen, hier ist es die Frau , die sich opfert und zwar füreinander. In Bezug auf die modernen Glaubenskriege, deren Blutvergießen und den freiwilligen Tod für die Religion, wird durch die Schwesternschaft als Erlösung ein politisches Statement formuliert.
Zeiten der Unsicherheiten haben oft Ritualisierungen zur Folge, Problemlösungen werden durch das Ritual suggeriert, die Gesellschaft einigt sich auf eine Handlung. Durch das Opferritual wird auch ein Heilsversprechen gegeben, das Blut fließt als Symbol der Vitalität und Lebenskraft.
Hier liegt die innovative und damit ästhetische Dimension dieser Ritualperformance:
Seid ihr so frei uns zu glauben und an uns zu glauben?
Sind die traditionellen Mechanismen noch glaubwürdig und liegt dem Glauben an die Kunst nicht die gleiche Freiheit zugrunde wie dem Glauben an Gott?
Durch Freundschaft, Zweisamkeit, Nächstenliebe, Schwesterlichkeit göttlich zu werden ist ein sehr freiheitlicher und ästhetischer Traum.

ZURÜCK